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Forschungsprojekt Mobilität 2050 / Workshops

Problemstellung

Wie werden Siedlungsstruktur, Motorisierung, Aktivitätenmuster und Infrastruktur die Nachfrage im Personenverkehr bis zum Jahr 2050 verändern? Welche Parameter sind für die Abschätzung der zu­künftigen Entwicklung maßgebend und welche der maßgebenden Parameter können in der Ent­wick­lungstendenz über einen Zeitraum von fast 50 Jahren sinnvoll abgeschätzt werden. Wie sind verschie­dene Szenarien in ihrer Komplexität auszugestalten, um die relevanten und quantifizierbaren Frage­stellungen sinnvoll untersuchen zu können.

Bereits in den Vorüberlegungen wurde deutlich, dass für viele langfristige Entwicklungen ver­schie­dene Pfade denkbar sind und dass sowohl die Pfade als auch die daraus resultierenden Konsequenzen teil­weise kontrovers diskutiert werden. Aus diesem Grund wurde der Diskussion möglicher Entwicklungen und der Szenariendefinition von der Projektgruppe eine große Bedeutung beigemessen. Die Identi­fi­kation und Abschätzung der relevanten Rahmenbedingungen erfolgte deshalb zusammen mit einem in Abstimmung mit dem BMVBS zusammengestellten interdisziplinären Expertenkreis von 28 Personen aus Wissenschaft und Praxis. Die Experten wurden zunächst mit den in der Literatur dis­ku­tierten Zukunftsfragen zu Verhalten, Mobilität und Verkehr von Personen konfrontiert. Die mit Bezug auf das Zieljahr gestellten Befragungsthemen betrafen

· den gesellschaftlicher Wandel und globale Veränderungen,

· die Siedlungsentwicklung und die Wohnformen,

· die Entwicklung der Kosten und Preise von Siedlungsentwicklung und Mobilität,

· die Entwicklung der Motorisierung,

· die Entwicklung von Verkehrsangebot und Nachfrage.

Auf dieser Basis wurden anschließend die Entwicklungstendenzen im Mobilitätsverhalten der Bevöl­kerung vertieft beraten und in Szenarien überführt. Dies erfolgte differenziert nach Lebensphasen und raumstrukturellen Bedingungen und im Kontext der damit verbun­denen Zukunftsfragen der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung.

Inhalte der Szenarien

Annahmen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und zum demografischen Wandel sowie zur groß­räumigen regionalen Bevölkerungsverteilung wurden auf der Grundlage früherer Untersuchungen der Bundesregierung in die Szenarien übernommen. Dies betraf insbesondere die Raumordnungs­prog­nose 2020/2050 des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) und den Bericht der Rürup-Kommission zur Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme. Auf der Grundlage dieser Untersuchungen und weiterer Studien (vgl. Kurzbericht ) wurden die Raum­ordnungsregionen Deutschlands in drei Typen mit unterschiedlichen Zukunftsperspektiven klassifiziert.

Aber wie entwickelt sich die Bevölkerungsverteilung innerhalb der Regionen? Wichtige Einflüsse werden von den sich verändernden Bevölkerungs- und Wirtschaftsstrukturen ausgehen, aber auch die steigende Attraktivität urbaner Lebensformen, die Verteuerung der Lebenshaltung an peripheren Standorten und die Knappheit preiswerter Flächen in den Kernorten der wachsenden Regionen werden die Richtung und Geschwindigkeit der Wanderungen und der Wohnstandortwahl prägen. Vor allem bei schrumpfender Bevölkerung wird sich der ländliche Raum gegenüber den größeren Gemeinden ab 20.000 Einwohnern deutlich stärker entleeren. In den Regionen mit geringem Wirt­schaftswachstum wird die Bevölkerung stark schrumpfen.

Die Ergebnisse der Expertenbefragung und die anschließenden Diskussionen belegen das besondere Gewicht der ökonomischen Aspekte. Als wichtigste Zukunftsthemen wurden folgende Aspekte identifiziert:

· Entwicklung der Verkehrskosten (MIV, ÖPNV),

· Entwicklung der Wohnkosten privater Haushalte,

· Unterschiede zwischen wachsenden/schrumpfenden Regionen,

· Berücksichtigung langfristiger globaler Risiken und Ressourcenkosten,

· Mobilitätsentwicklung im Alter,

· Reaktionen auf die demografische Entwicklung.

Demgegenüber wurden im Expertenkreis hinsichtlich der Quantifizierung von Mobilitätskennziffern des Personenverkehrs folgende Themen mehrheitlich als weniger bedeutsam, nicht quantifizierbar oder in der Entwicklung uneinheitlich eingeschätzt:

· Image und Neigung zum Pkw-Besitz,

· Entwicklung des täglichen Mobilitätsverhaltens,

· Verkehrsnachfrage von Familien mit Kindern,

· Verkehrsnachfrage nicht motorisierter Verkehre,

· Zuwanderer und Mobilität,

· Reaktionen auf die demografische Entwicklung,

· Entwicklung von Transportintensität und Wirtschaftswachstum,

· Entwicklung der Verkehrsträger in Kernstädten und Zentren,

· Entwicklung von Verkehrsangeboten (Ansprüche an Senioren, Familien mit Kindern),

· Attraktivität der Verkehrsträgerangebot am Stadtrand/in der Fläche

„Gleitender Übergang“ und „Dynamische Anpassung“

Um die Komplexität zu reduzieren, wurden die Szenarien auf wenige Kernparameter beschränkt. Die ausgewählten Kernparameter sind die Preisentwicklung im Verkehr und die Verteilung der Wohn­standorte innerhalb der Raumordnungsregionen, sowie eine zunehmende Altersmobilität und die so genannte nachholende Motorisierung von Frauen und älteren Personen. Andere Entwicklungen, beispielsweise der Durchbruch neuer Technologien, nicht über Preise gesteuerte Bewirtschaf­tungs­maßnahmen oder globale Katastrophen wurden nicht unterstellt. Ihre Einbeziehung wäre zu spekulativ und politisch nicht sinnvoll.

Überproportionale Preissteigerungen für Verkehrsgüter sind aufgrund steigender Preise für Energie und Rohstoffe sowie durch die Umstellung der Antriebstechnologien von Kraftfahrzeugen oder durch andere technische Auflagen vorstellbar. Zudem können über Steuern und Versicherungen verstärkt Anstrengungen finanziert werden, um den Klimawandel zu kompensieren und Risikovorsorge zu betreiben. Preissteigernd könnte auch der Übergang zur Nutzerfinanzierung des Verkehrs sein, verbunden mit einem staatlichen Rollenwandel und zunehmender Privatisierung sowie neuen Wegen der ökonomischen Regulierung (z. B. globaler Emissionshandel).

Auch eine Neuinterpretation des raumordnerischen Leitbilds der „Gleichwertigkeit der Lebensbe­din­gungen“ kann Einfluss auf steuerliche Rahmenbedingungen und Finanzausgleich haben, ebenso Fördermaßnahmen und Steuervergünstigungen, die nicht integrierte Wohnlagen begünstigen und lange Distanzen fördern. Beispiele bilden die Veränderungen bei der Wohnungsbauförderung (Abschaffung Eigenheimzulage) und der Entfernungspauschale.

Das erste Szenario „Dynamische Anpassung“ unterstellt eine sehr starke Preisentwicklung, durch­greifende Veränderungen der planerischen, ökonomischen und ordnungsrechtlichen Rahmen­be­din­gungen staatlichen und individuellen Handelns sowie entsprechende stärkere Anpassungen der Siedlungsstruktur. Ursächlich ist dafür der Druck, den stark steigende Preise sowohl auf das private als auch auf das staatliche Handeln ausüben. Das Szenario nimmt die Überlegungen stark steigender Verkehrspreise und eines deutlichen Subventionsabbaus sowie den Gedanken der Reurbanisierung auf. Das bedeutet innerhalb der Regionen eine zügige Konzentration der Wohnstandorte auf dichte Lagen und Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern. Der Anteil hoch und mittel urbaner Wohnformen steigt.

Das Szenario „Gleitender Übergang“ berücksichtigt moderat steigende Preise bei moderatem Subventionsabbau und einer langsameren Veränderung der räumlichen Lagen der Wohnstandorte. Kennzeichnend ist die Dominanz des Beharrungsvermögens bisheriger Entwicklungen, die Rahmen­bedingungen ändern sich aufgrund des mangelnden Handlungsdrucks durch die Preisentwicklung nur geringfügig. Es beinhaltet weniger starke Preisentwicklung als das Szenario „Dynamische Anpassung“, verbunden mit moderaten Änderungen der Siedlungsstruktur. Weder das staatliche Handeln noch das private Verhalten werden durch die weitgehend stabilen Rahmenbedingungen gravierend beeinflusst und damit verändert.

Beide Szenarien sind keine Zielszenarien, sondern spiegeln unterschiedliche Annahmen zur Ent­wicklung der entscheidenden Parameter wider. Für die Wohnstandorte ergibt sich ein Prozess der räumlichen Konzentration in wachsenden und mittleren Regionen und die beschleunigte Abwan­derung aus raumaufwändigen Standorten in schrumpfenden Gebieten. Für wachsende Regionen bedeutet das also weiterhin „Zersiedelung“, für mittlere Regionen die stärkere Nutzung hoch urbaner Wohnformen und zu Entleerungstendenzen in schrumpfenden Regionen kommt es eher auf dem Land als in den größeren Städten.

 
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